Insolvenzrecht Restrukturierung und Sanierung

Europäische Insolvenzverordnung: Grundlegende Rechtssicherheit bei grenzüberschreitenden Sanierungen

Von Annerose Tashiro

Vor 20 Jahren ist die Europäische Insolvenzverordnung (EuInsVO) in Kraft getreten. Sie bildet seit 2002 die gemeinsame Grundlage für grenzüberschreitende Insolvenzen in der EU und erleichtert solche Verfahren – künftig fallen auch StaRUG-Restrukturierungen unter die EuInsVO.

Insolvenzen – gerade größerer Unternehmen – finden inzwischen nur noch selten national, sondern zumeist international über Ländergrenzen hinweg statt. Es gibt gerade innerhalb der Europäischen Union (EU) viele Lieferbeziehungen, Unternehmen haben Niederlassungen oder Vermögen in einem oder mehreren der insgesamt 27 EU-Mitgliedsstaaten. Überall dort ist die EuInsVO maßgebend. Sie bildet die gemeinsame Grundlage in der EU für grenzüberschreitende Insolvenzen – und das seit inzwischen 20 Jahren.

Die EuInsVO legt zwei wichtige Punkte fest:

  • Insolvenzverfahren, die in einem EU-Mitgliedsstaat eröffnet werden, sind automatisch und ohne weitere Gerichtsentscheidung in jedem anderen Mitgliedsstaat anerkannt.
     
  • Das nationale Insolvenzrecht des EU-Mitgliedsstaates, in dem das Verfahren eröffnet wurde, ist in der gesamten EU (außer in Dänemark) bei der Bearbeitung des Verfahrens anwendbar. Entscheidend ist jedoch, dass das Insolvenzverfahren an dem Ort eröffnet wird, an dem das Unternehmen seinen  hauptsächlichen Interessen nachgeht – in der Regel ist das der Ort, an dem die Zentrale des Unternehmens ihren Sitz hat.

Nur ein Hauptverfahren

Der Vorteil ist, dass ein nach der EuInsVO eröffnetes Insolvenzverfahren verhindert, dass in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ein weiteres Verfahren eröffnet wird und es also kein zweites Hauptverfahren mit EU-weiter Geltung gibt.

Trotz Anwendung des Insolvenzrechts des Eröffnungsstaates gibt es einige Sondersachverhalte – etwa beim Arbeitsrecht. Hier gilt immer das jeweils nationale Recht des EU-Mitgliedsstaates, dem das betroffene Arbeitsverhältnis unterliegt. . 

Im Zuge einer Reform vor sieben Jahren wurde die EuInsVO entlang der Entwicklung des Insolvenzrechts angepasst und ergänzt. Die EuInsVO 2015 reflektiert verschiedene Entwicklungen und Schwierigkeiten in der Handhabung der ersten Fassung, der EuInsVO 2000.

Neu aufgenommen wurden unter anderem wurden Regelungen für grenzüberschreitende Konzerninsolvenzverfahren und zur besseren Kompatibilität von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren. Zudem wurden im Zuge der Reform einige Vorschriften zur Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts ergänzt, um missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern. Unter Forum Shopping versteht man den Versuch, den Sitz eines Unternehmens an einen insolvenzrechtlich günstigeren Ort zu verlegen und sich so einen Vorteil gegenüber den Gläubigern zu verschaffen.

Eigenverwaltete und vorinsolvenzliche Verfahren

Seit der Reform gilt die EuInsVO auch ausdrücklich für eigenverwaltete und vorinsolvenzliche Verfahren – allerdings nur, wenn solche Verfahren in den nationalen Rechtsordnungen vorgesehen sind.

Zudem hat die EU ihren Mitgliedstaaten mit einer Richtlinie im Jahr 2019 explizit aufgetragen, präventive Restrukturierungsverfahren zu schaffen, die ein förmliches Insolvenzverfahren vermeiden. Deutschland hat dies zum 1. Januar 2021 mit dem StaRUG umgesetzt. Anders als in Insolvenzverfahren ist die EU-weite Anerkennung von StaRUG-Restrukturierungen aber noch nicht in Kraft.

Für deutsche Unternehmen bedeutet das, dass sie bis dato keine Rechtssicherheit haben, dass sie eine in Deutschland erreichte Gestaltung von Gläubigerrechten im Rahmen des StaRUG auch gegen Gläubiger oder verbundene Gesellschaften in anderen EU-Mitgliedsstaaten durchsetzen können.

StaRUG-Regeln EU-weit anwenden

Zum 17. Juli 2022 wird sich das ändern. Öffentlich in einem neuen Restrukturierungsregister bekannt gemachte präventive Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG sind dann als Insolvenzverfahren im Sinne der EuInsVO qualifiziert. Damit regelt die EuInsVO die automatische Anerkennung und Anwendung des Rechts des Eröffnungsstaates. Die StaRUG-Regeln könnten dann EU-weit angewandt werden. Das ist gerade für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung.

 


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